Faktoren gelingender Kooperation
Wirksamer Kinderschutz braucht vernetztes Vorgehen auf allen Ebenen
Kinderschutz ist eine zentrale und dauerhafte gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Schutzauftrag stellt eine Querschnittsaufgabe dar, die durch staatliche Institutionen und freie Träger ausgeübt wird. Wesentliche Voraussetzung für einen wirksamen Kinderschutz ist, dass er als gemeinsame Aufgabe aller beteiligten Handlungsfelder verstanden wird. Handlungsweisend hierbei muss das Wohl des Kindes auf der Grundlage der Kinderrechte sein.
Die beteiligten Akteurinnen und Akteure müssen zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Aufgaben in dieser Verantwortungsgemeinschaft wahrnehmen. Die Vernetzung und Kooperation aller beteiligten Akteurinnen und Akteure ist entscheidend für einen effektiven Kinderschutz. Er erfordert Klarheit über die Aufgaben und Rahmenbedingungen aller Beteiligten im Kinderschutz sowie über die Schnittstellen zu anderen Institutionen.
Das Landeskinderschutzgesetz NRW, welches am 1. Mai 2022 in Kraft getreten ist, hat die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung von Aufgaben im Kinderschutz (§ 9 Netzwerke Kinderschutz) als verpflichtende Aufgabe aller natürlichen oder juristischen Personen verankert.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat sich dazu verpflichtet, die interdisziplinäre Kooperation im Kinderschutz zu stärken. Das Handlungs- und Maßnahmenkonzept der nordrhein-westfälischen Landesregierung im Bereich „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ – Prävention, Intervention, Hilfen sieht u. a. vor:
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lokale, handlungsfeldübergreifende Vernetzung zum Kinderschutz und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt zu unterstützen und
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interdisziplinäre Kooperationen zu befördern und zu verbessern.
Was trägt in der Praxis zu einem guten Kinderschutz bei?
Die folgenden Faktoren fördern das Gelingen:
1. Innere Haltung und Bereitschaft
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Kinderschutz als gemeinsame, übergreifende Aufgabe und gemeinsames Anliegen verstehen
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Gleichwertige Partnerinnen und Partner auf Augenhöhe wechselseitig akzeptieren und wertschätzen
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Gemeinsame Grundsätze verfolgen
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Sowohl den Kindern und Jugendlichen als auch den anderen Professionen zuhören
2. Beteiligung an lokalen Netzwerken gem. § 9 LKSG
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bieten Raum, um sich fallunabhängig und ohne Handlungsdruck mit wichtigen Themen rund um den Kinderschutz zu beschäftigen, auszutauschen und konstruktiv zu diskutieren, um Verständnis für die Rahmenbedingungen und die Handlungsmotivationen des jeweils anderen Systems zu entwickeln
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Handlungsmöglichkeiten, Kompetenzen und Hilfen bündeln, damit diese nahtlos ineinander übergehen
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Aufeinander abgestimmt zum Wohle des jungen Menschen zusammenarbeiten
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Organisationsübergreifende Besprechungskulturen entwickeln
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Finanzielle und zeitliche Ressourcen für Kooperations- und Vernetzungsarbeit bereitstellen
Netzwerkpartnerinnen und Netzwerkpartner sind:
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Jugendamt/Allgemeiner Sozialer Dienst
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Einrichtungen der Jugendhilfe (wie z. B. Kindertagesstätten, stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe)
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Erziehungsberatungsstellen, Kinderschutzbund
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Polizei
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Justiz (Familienrichterinnen und -richter, Strafrichterinnen und -richter, Staatsanwältinnen und -anwälte)
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Schulen
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Gesundheitsämter
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Öffentliche und private Gesundheitseinrichtungen (Krankenhäuser, insbesondere Kinder- und Entbindungskliniken, Frühförderstellen, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Hebammen)
3. Verantwortungsübernahme
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Fähigkeit zur Empathie
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Persönliches Engagement
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Erreichbarkeit
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Verlässlichkeit & Verbindlichkeit
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Klare Verantwortlichkeiten und Rollen
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Aufbau von Vertrauen
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Sorgsamer und respektvoller Umgang in der Zusammenarbeit
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Ergebnisorientierung
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Offene Kommunikation & Transparenz (gleichberechtigter Informationsaustausch und -stand; Arbeitsaufträge klar und verbindlich kommunizieren)
4. Wissen
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Über Kenntnisse der strukturellen Rahmenbedingungen, Kompetenzen, Aufgaben, Entscheidungswege und Grenzen der anderen beteiligten Professionen im Kinderschutz verfügen
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Eigene Kernkompetenzen und Aufgabenbereiche klar beschreiben
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Eigene Handlungsgrenzen erkennen, um frühzeitig auf entsprechende Kompetenzen interner und/oder externer Fachpersonen zurückgreifen zu können
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Systemlücken zwischen den verschiedenen Handlungsfeldern im Kinderschutz identifizieren
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Gemeinsame Fortbildungen gemäß § 9 LKSG wahrnehmen, um im Kooperationsprozess gemeinsame emotionale Erfahrungen zu kinderschutzrelevanten Themen zu organisieren
5. Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie Gespräche mit Betroffenen
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Fachkräfte orientieren sich immer wieder an den (Hilfe-)Bedarfen der betroffenen Kinder oder Jugendlichen
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Einschätzungsprozesse zur Kindeswohlgefährdung mit den Kindern und Jugendlichen altersgerecht erörtern
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Schutzplan an der Perspektive des Kindes bzw. der/des Jugendlichen ausrichten
6. Institutionenübergreifende Vereinbarungen
Kinderschutz findet dialogisch und prozesshaft statt. Deshalb ist es notwendig, gemeinsame Handlungsleitlinien mit allen beteiligten Kooperationspersonen zu erarbeiten über Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Diese geben Handlungssicherheit und Unterstützung in den komplexen Fragestellungen des Kinderschutzes und gewährleisten ein strukturiertes Vorgehen.